Die ersten Tage in Freiheit (FreeStyle-Story, Teil 2)

Was bisher geschah…

Seit ein paar Tagen bin ich stolzer Besitzer eines FreeStyle Libre Starter-Kits, bestehend aus einem Lesegerät (das ich dank NFC-fähigem Handy nicht nutze) und einem Sensor (den ich furchtlos und mutig — naja — in meinen Arm getackert habe). Details dazu und warum mir meine Krankenkasse die Sensoren bezuschusst, könnt ihr im ersten Teil nachlesen.

Scan as Scan can

Der Sensor braucht eine Stunde, bis man das erste Mal scannen darf. In der Zeit „adaptiert er die neue Umgebung“, meint der Hersteller. Aha. Vermutlich wird er stubenrein oder stellt sich den Nachbarn vor. Also sahen meine ersten 90 Minuten etwa so aus:
60 Min: Auf die Uhr gucken — warten — nachsehen — warten — nachsehen — warten…
30 Min: Scannen. *brumm-brumm* 157. Cool! Scannen. *brumm-brumm* 169. Cool! Scannen.*brumm-brumm* 178. Cool! Scannen. Scannen. Scannen…

Groooßartiges Spielzeug Hilfsmittel! Das Abendessen wanderte langsam in meine Blutbahn und ich war live dabei; Reality-TV der etwas anderen Art. Ich hätte noch Stunden zugucken können, aber es war Zeit fürs Bett. Inzwischen war der BZ bei 186, ich war gespannt auf morgen.

Der Morgen danach

Die erste Tat: der Griff ging zum Handy, kurz entsperren, an den Arm halten *brumm-brumm*, dann ein verschlafener Blick auf  AAAHHHHHH!!!!! WAS IST DENN DAS?

Screenshot_20170323-084704 (1)

Was ich sah war eine Talfahrt, nein, eigentlich ein Sturzflug, durch den grünen in den roten Bereich und von dort ins… Nichts? Nach etwa einer Stunde im Blutzucker-Bermudadreieck kam der Wert wieder herausgekrabbelt und versteckte sich morgens scheinheilig hinter der 102. Nicht, dass ich bereits Profi in der Analyse oder Interpretation solcher Graphen wäre, aber soviel verriet mir die gesellschaftlich etablierte Farbenlehre: das rot stand vermutlich nicht für „rrrichtig optimal“.

Ehrlich gesagt war ich leicht geschockt. Allerdings mehr durch das, was ich dort sah, als durch etwas, was ich fühlte. Hatte ich unruhig geschlafen? Eigentlich nicht. Verschwitzt war ich auch nicht. Was war mit den ganzen Unterzuckerungsanzeichen, von denen ich gelesen hatte?

Hochgradig beunruhigt fuhr ich morgens direkt mal zum Dia-Doc:

„Oh, damit hätte ich nicht gerechnet.“ 

Schön, da waren wir uns ja einig. Dann folgte eine kurze Lobeshymne auf das FreeStyle, weil man diese Werte früher nicht gesehen hätte. Stimmt, dachte ich mir, wer weiß, wie oft das bereits passiert ist.

Ergebnis: ich solle das Basalinsulin reduzieren. Außerdem müsse ich nun „etwas vorsichtig“ sein und solle mir besser nachts den Wecker stellen. 3 Uhr sei eine gute Zeit. Gute Zeit? Ernsthaft? Kaum sind die eigenen Kinder aus dem Alter raus, bekommt man ungefragt ein Pflegekind namens „Diabetes-Dörte“, das mitten in der Nacht umsorgt werden möchte. Mpf!

Nacht Nr. 2

Wenn ich mir sonst den Wecker für 3 Uhr nachts stelle, hat das meist etwas mit Süden und Sonne und einem bunt bemalten Urlaubsflieger zu tun. Nicht, um sich in den Finger zu stechen.

3:03 Uhr: Trotz Mitternachtssnack war der Blutzucker inzwischen auf 87 gesunken und zwang mich zu einer Nacht-BE. Um 3 Uhr. Nach 3h Schlaf. Ich hatte eine Spitzenlaune.

Mein Sensor wohl auch, denn das Scannen am nächsten Morgen wurde mit einer Fehlermeldung quittiert. Anschließend waren sich App und Lesegerät einig, mein Sensor sei abgelaufen und müsse getauscht werden. Großartig! Mein einziger Sensor kündigte nach 1,5 Nächten fristlos seinen Dienst und ich hatte natürlich keinen Ersatz zu Hause. Und das, wo sich das Gerät bereits in der ersten Nacht erfolgreich unverzichtbar gemacht hatte.

Der zweite Morgen in Folge, bei dem leichte Panik in mir hochkroch.

Meine Todo-Liste für diesen Morgen war:

  1. Zwei Ersatzsensoren bestellen
    Der Libre hatte durch die nächtlichen BZ-Kurven tatsächlich mal Licht ins Dunkle gebracht — im wahrsten Sinne des Wortes. Also wollte ich unbedingt eine Notfallration für den Fall, dass sich mal wieder ein Sensor selbst pensionieren würde.
  2. Abott-Hotline anrufen
    Das klappte super, der Service war exzellent. Der Mitarbeiter an der Hotline war nett und obwohl ich ihm die Fehlercodes nicht durchgeben konnte (das FreeStyle Lesegerät lag zu Hause), schickte er sofort einen Ersatzsensor auf den Weg.
  3. Basal reduzieren (erneut)
    Das Absacken in der Nacht musste aufhören und außerdem fände ich es knorke, wenn Dia-Dörte und ich mal wieder durchschlafen könnten. Also: 4 minus 2 = 2; ich nannte es Toujeo light…

Happy End

Schon am nächsten Tag kam die gelb-schwarze Postkutsche mit meinem persönlichen DHL-Helden angeritten und lieferte mir die drei Sensoren. So konnte ich mich nachmittags schon wieder ausstatten und wenn er nicht gestorben ist, so läuft der Sensor noch heute…

Alternative Ursachen

Ich hab noch eine Weile über die angezeigte Unterzuckerung nachgedacht. Seltsam finde ich daran vor allem, dass ich morgens keine körperlichen Anzeichen hatte. Das passt so gar nicht zu den Erfahrungsberichten, die ich bisher zu solchen Unterzuckerungen gelesen hatte. Die Stunde im Bereich < 40 mg/dl hätte ich doch spüren müssen?!

Bei der Internetrecherche zu dem Thema bin ich auf eine alternative Erklärung gestoßen: Wenn man auf der Seite liegt, also auf dem Sensor, kann der Wert fälschlicherweise zu niedrig angezeigt werden. Der Druck auf den Sensor und die verdrängte Gewebeflüssigkeit sollen der Grund hierfür sein. Klingt ein Stück weit plausibel. Wobei… schlafen nicht so viele auf der Seite, dass dieses Problem deutlich häufiger auftreten müsste?

Wie sind Eure Erfahrungen dazu?
→ Zurück zum Blog

2 Gedanken zu “Die ersten Tage in Freiheit (FreeStyle-Story, Teil 2)

  1. Thomas schreibt:

    Hallo Renè, Hallo liebe Dia-Dörte,

    Es ist schön wieder etwas von Euch lesen zu dürfen.
    Wir 40er sind ja nicht ganz so oft vertreten in der Community.

    Da ich auch erst ein knappes Jahr dabei bin, habe ich die ganzen von dir erwähnten Erlebnisse schon erfahren dürfen.

    Die nächtlichen Unterzuckerungen kommen bei mir einfach aus dem NICHTS!

    Bin ein sehr schwer einstellbarer Typ, laut meinem Diabetes Berater.
    Durch den Job den ich ausführe, bin ich •Nicht einstellbar• !!!
    Ich musste ebenfalls die nächtlichen BZ Messungen um 2.00h durchführen.
    Die waren identisch mit dem Libre.

    Deine Kurve sieht auch so aus, als ob der Sensor seinem Dienst erfolgreich leistet und es an deinem Basal liegt. Vielleicht hast du an dem Tag auch nur ein Muskel getroffen und es hat schneller gewirkt als gewünscht.

    Also keine Panik.
    Schlimmer geht immer….

    Meine Libre Kurven willst du bestimmt nicht sehen. Und ich gelte schon als •Streber• in der Diabetologischen Praxis.

    Lieben Gruß
    Thomas
    @lowsugaralien

    Meinem Twitter Namen habe ich nicht umsonst so ausgewählt…..bin täglich mit starken Unterzuckerungen betroffen….

    Also….tapfer bleiben und weiter Bloggen….bitte…😎

    P.S. ich schlafe nur auf der Seite und dem Sensor ist das ziemlich egal….

    Bis bald….

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s