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Zitate aus der Hölle

„Covid ist eigentlich gar nicht so schlimm.“

„Oh, so jung gestorben? Aber naja, der hatte doch bestimmt eine Vorerkrankung.“

„Komm, lasst einfach alle den Virus bekommen. Wenn, sterben doch nur die Alten und Schwachen.“

„Wer ein höheres Risiko hat, soll sich selbst schützen. Ist nicht meine Verantwortung.“

„Wenn die Maske mich nicht schützt, brauche ich auch keine zu tragen.“

„Die paar Toten. So funktioniert die Natur eben. Natürliche Selektion.“

Habt ihr eigentlich den Schuss nicht gehört?

Wie sich so Sätze für mich anfühlen, fragst Du?
Ach. Stimmt. Fragst Du ja gar nicht.
Ich erzähl es trotzdem.

Habe ich Angst? Natürlich hab ich die. Ich sehe Italien und die LKW voller Toten[1]. Ich sehe Massengräber in New York[2]. „Covid ist nicht so schlimm?“ Möglich. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir das mit den LKW und den Massengräbern im letzten Jahr auch schon hatten. Oder in dem Jahr davor. Oder überhaupt irgendwann…

„Das sind nur die Alten und Schwachen.“ Ähm… bitte? „Na, die mit Vorerkrankungen.“ So wie Diabetes? Stimmt, ich vergaß. Auf der nach unten offenen Gleichgültigkeits-Skala liegt der Schulterzuck-Koeffizient von ‚Tod-mit-Covid-und-Vorerkrankung‘ wohl irgendwo in der Nähe von „Oh. Blöd. [schweigen] Und sonst so… was macht die Arbeit?“ Mag den ein oder anderen überraschen, aber auch als Mensch mit Diabetes lebe ich ganz gerne. Morgen bitte auch noch. Fühl ich mich „schwach“? Scheiße ja, manchmal schon. Vorerkrankung? Definitiv. Weniger wert? Öhm… nein!

„Wenn Du gut eingestellt bist, soll das halb so wild sein.“ Natüüüürlich. Bloß endet dieses ‚gut eingestellt‘ bereits beim Beginn eines jeden mittelschweren Schnupfens. Dann ist Kirmes in der Blutbahn und der Zucker fährt Disco 2000… nur rückwärts… mit geschlossenem Verdeck… und etwa so schnell wie ’ne Zentrifuge im russischen Kosmonauten-Trainingslager. „Huiiiiii!“ Wenn ich mir dann vorstelle, statt Klein-Erna-Erkältung kommt Nachwuchs-Charlie-Covid um die Ecke… dann? Dann braucht das Körperwerte-Katastrophen-Management vor allem eins: Zeit. Ich hab‘ viel Phantasie, aber für die Vorstellung, dass das in einem ausgelasteten Krankenhaus auch nur im Ansatz funktionieren würde, reicht sie dann doch nicht aus.

„So ist das mit der Natur.“ Jo, hast recht. Zurück zu ‚Survival of the Fittest‘ und natürlicher Selektion. Was soll das auch mit all den gesellschaftlichen Errungenschaften, der Solidarität und gegenseitigen Rücksichtnahme. Wenn jeder an sich denkt, ist doch an alle gedacht.

Ob ihr den Schuss nicht gehört habt, hab ich gefragt!?

Durchatmen.
Geht schon wieder, danke.

Panik? Nein.
Todesangst? Auf gar keinen Fall.
Wut? Hat man das etwa gemerkt?

Die so leichtfertig und mit einem unfassbar egoistischem Selbstverständnis geposteten Äußerungen, gerne mit Spott und Empörung garniert, sie relativieren den Wert eines Menschen. Reduzieren ihn. Das macht mich so wütend! Die Risiken werden hingenommen, die Konsequenzen akzeptiert, sind ja nicht die eigenen. Verantwortung? Etwa für das eigene Handeln? Pfff… wo kämen wir denn da hin?! Der Wert eines Menschen als mathematische Gleichung, Vorerkrankungen und Alter als die einzigen Parameter. Wenn so etwas einmal in den Köpfen angekommen ist, braucht es nicht mehr viel Vorstellungskraft, um das weiterzuspinnen. Keine Beatmung für Menschen über 80, wie es in Frankreich der Fall war[3], ist da nur der Anfang.

Und dann blickt Dörte auf mich herab. Sieht, wie ich da liege. Dort, auf dem Gang vor der Notaufnahme irgendeines hoffnungslos überfüllten, weit über jegliche Grenzen des Möglichen belasteten Krankenhauses. Um mich herum wimmeln, durch ihre Masken seltsam anonym gewordene Ärzte, Pfleger, Schwestern. Ihre Augen teilen sich dieselbe Emotion: Erschöpfung. Irgendwann beugt sich jemand über mich, sieht den bunt beklebten Dia-Sensor und schüttelt langsam den Kopf. Lohnt nicht, sagt die Geste, und zu aufwendig. Versuchen wir es lieber bei Jemandem, der noch mehr wert ist.

Jaja, vermutlich dann doch eine etwas arg düstere Dörte-Dystopie mit einem Hauch zum Mimimi. Sorry dafür, aber die Stimmung war mir einfach noch zu heiter. ッ Klar ist jedenfalls, da draußen gibt es Menschen für die gilt:

Wenn Du heute nur an Dich denkst,
sind sie morgen tot!

Und mit „sie“ meine ich auch mich.


„Für jemanden, der an Diabetes leidet, aber gut damit zurechtkommt, gibt es keinen Grund, dieses Jahr zu sterben. Erkrankt er oder sie an Covid-19, steigt das Risiko dafür stark an.“ [4]

[1] Tagesspiegel, 19.03.2020: Armee transportiert Leichen mit LKW ab
[2] n-tv, 03.04.2020: New York lässt Gefangene Massengräber ausheben
[3] Tagesspiegel, 27.03.2020: Patienten über 80 Jahre werden nicht mehr beatmet
[4] Spektrum, 28.04.2020: Covid-19 tötet Menschen, die nicht so bald gestorben wären

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Bratwurst mit …

Stadtfest

Ich sitze mit meinem Jüngsten bei einer Imbissbude auf der Bank, genieße völlig Dia-tiefenentspannt eine leckere Bratwurst ohne Brötchen, ein paar letzte Sonnenstrahlen und das Leben im Allgemeinen. Da nimmt mir gegenüber eine Dame gehobenen Alters Platz. Bevor sie mit dem Essen beginnt, zeigt sie auf meinen FreeStyle Sensor und sagt ganz nett: „Sie haben da was am Arm.“

„Ich weiß“, entgegne ich ebenso freundlich. Ich gehe kurz in mich, entscheide mich aber gegen einen Spontanvortrag zum Thema Aktuelle Technik im Diabetes-Selbst-Management und widme mich stattdessen wieder meiner Bratwurst.

„Nein, nein.“ Die Dame lässt nicht locker, zeigt erneut auf meinen Sensor, „Sie haben da was. Am Arm!

Die Hartnäckigkeit beeindruckt mich und normalerweise begrüße ich diese Neugier, gibt sie mir doch die Gelegenheit zur Aufklärung. Bloß gerade jetzt, in diesem Moment, nicht. „Ich weiß!“ Zugegebenermaßen etwas egoistisch stelle ich meinen persönlichen Genuss über meine Rolle als Dia-Botschafter und entscheide mich für die nahrungsaufnahme-optimierte Kurzfassung: „Das ist ein Blutzucker-Sensor.“ Ich hoffe mein Ton hat genügend Nachdruck, ohne dabei an Höflichkeit einzubüßen. Bei letzterem bin ich mir nicht so sicher.

Jedoch… meine Worte scheinen die gewünschte Wirkung zu verfehlen.

„Nein.“, schüttelt sie mit dem Kopf und noch bevor ich der verbalen Ungeduld verfallen kann fügt sie schnell hinzu: „Ich glaube, das ist Senf.“

*ein-augenblick-der-stille*
*mein-blick-wandert-nach-links*
*senf*
*mein-blick-wandert-zu-ihr*
*sie-nickt*

Während ich etwas unbeholfen mit meinen Fingern einen großen Klecks Senf von meinem Arm entferne, murmel ich ein leises „Danke schön. Das war sehr nett von Ihnen.“

Und die Moral…

Manchmal ist es kein Diabetes.
Manchmal ist es nur Senf.   ッ

 

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#6: Teufels-Looping

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 6 —

Heute: Warum ich loope oder nicht loope?

„Frau D.-D., schön dass Sie heute zu uns gekommen sind.“ — „Schön? Bei dem Thema? Das können Sie ja nun wahrlich nicht schön nennen.“

Ein Interview und Hilfeschrei

Vor uns sitzt Frau D.-D. aus S., einer kleinen Stadt am südlichen Zipfel des schönen Ruhrgebiets.

„Möchten Sie sich vielleicht erst einmal vorstellen?“

„Ja. Mein Name ist Dör… äh… nennen Sie mich einfach Frau D. Ich bin professionelle Krankheit, ausgebildet in Diabetes. Jahrgangsbeste, möchte ich hinzufügen. Aber das nutzt ja bald kaum noch was.“

„Aha. Frau D., Sie möchten auf eine Entwicklung aufmerksam machen, die Sie für sehr bedenklich halten.“

„Bedenklich? Dramatisch wäre das richtige Wort. Diese moderne Technik im Allgemeinen ist ja schon schlimm genug, aber die hatten wir bislang ganz gut im Griff. Sie wissen ja, Haftungsfragen, Studien, elendig lange Zulassungsverfahren, usw. Wir sitzen in allen Gremien. Jetzt aber kommen diese geschlossenen Kreisläufe auf den Markt, diese Closed-Loop-Systeme und die bedrohen ernsthaft unsere Existenz. Das Ausmaß ist vielen gar nicht bewusst.

„Können Sie für unsere Leser vielleicht in einfachen Worten beschreiben, was so ein Closed-Loop-System ist?“

„Teufelswerk ist das. Teufelswerk! Ach so, Sie meinten die Funktionsweise. Na gut. Closed-Loop-Systeme verbinden ein Blutzucker-Messsystem mit einer Insulinpumpe. Vereinfacht gesagt wird es dadurch möglich, die Insulinabgabe an den Blutzucker anzupassen. Etwas mehr Insulin bei hohen Werten, etwas weniger bei niedrigen Werten. Fast so wie die echte Bauchspeicheldrüse.“ — Sie hält sich die Hand vor den Mund, als würde ihr schlecht werden — „Und jetzt kommt’s: das passiert VÖLLIG AUTOMATISCH!

Ihr Kopf läuft leicht rot an. Dieses Thema scheint sie wirklich mitzunehmen.

„Verstehe. Das betrifft Sie ja auch persönlich, richtig?“

„Noch nicht. Mein Sklav… äh… Gastgeber, wollte ich sagen. Mein Gastgeber bekommt noch keine Pumpe. Remissionsphase, verstehen Sie? Seine Bauchspeicheldrüse ist ein ganz schön harter Brocken. Die wehrt sich, wo sie nur kann, aber“ — und dann lacht sie so schaurig, dass in meinem Kaltgetränk spontan zwei neue Eiswürfel entstehen — „das bekomme ich schon hin. Eine gute Diabetes-Ausbildung, wissen Sie, davon zehren Sie ein Leben lang. Bloß helfen wird das kaum. Der gute Mann interessiert sich nicht einmal für die Fertig-Systeme. Der möchte so ein Closed-Loop am liebsten selbst bauen, mit diesen Community-Projekten rund um OpenAPS und so. Wenn ich diese Gutmenschen in die Finger bekomme, diese Frau Lewis, dann… dann…

Inzwischen scheint ihr ganzer Kopf zu pulsieren. Jeder Vulkan wäre blass vor Neid angesichts dieses leuchtenden Rots.

„OpenAPS. Wo soll ich da bloß anfangen?! Das ist fast schon Blasphemie an der menschlichen Krankheitsgeschichte. Jetzt überlegen Sie doch mal, Diabetes ist doch kein Schnupfen, das ist eine ausgewachsene Autoimmun-Krankheit. Die gibt es doch nicht umsonst! Wir spielen hier in der ersten Liga, ach, was sag ich, in der Champions League der Krankheiten! Wissen Sie, wie viele Menschen auf der Welt an Diabetes erkrankt sind? Das war harte Arbeit für uns. Das haben sonst nur die Kollegen vom Krebs geschafft. Und jetzt kommen da so Menschen daher und bauen sich mir nichts, dir nichts ihre eigene Bauchspeicheldrüse nach. Mit der einfachsten Technik werden Blutzuckerkurven möglich, die sind so gerade, da wird mir regelrecht schlecht von.

Ihre Halsschlagader tritt so stark hervor, als würde ihr dort gleich ein zweiter Hals wachsen. Wenn das so weitergeht, platzt ihr noch der Kopf, denke ich und schaue mich verstohlen nach einer Möglichkeit um, Deckung zu suchen.

„Und wir. Wir werden nutzlos! All die Finessen, mit denen wir unseren Menschen das Leben schwer machen, nutzlos! So ein Loop gleicht das spielend wieder aus. Selbst die besten Tricks helfen nicht. Meine Spezialität zum Beispiel: ein bisschen wetterbedingte Insulinresistenz in Kombination mit einem ausgeklügelten Hormonmix. Etwas, das sonst jeden, auch noch so geübten Diabetiker völlig aus der Bahn werfen würde, NUTZLOS! Alles haben wir schon probiert, ein Dutzend Grippehilfsarbeiter haben wir angeheuert, Fieber, Schüttelfrost, das ganze Programm. Nichts. Und dann… dann haben wir zur ultimativen Waffe gegriffen:“ — Ihre Stimme wird zu einem Flüstern. Das nächste Wort kommt nur noch in mein Ohr gekrochen. —„Kortison. Die Kollegen von den Hautkrankheiten haben da jede Menge ekeliges Zeug auf Lager. So richtig widerlich. Warten Sie, wo hab ich denn die Fotos?“ — Schnell schüttel ich den Kopf — „Na, egal, die Hauptsache war doch, es kommt Kortison zum Einsatz. Denn wenn sonst nichts mehr half, darauf war Verlass. Kortison hat wirklich noch jeden Blutzucker ins Chaos gestürzt. Aber JETZT? NUUUTTZLOOOS!!

„Wenn ich sie richtig verstanden habe, wird ihr… Gastgeber… also ein Closed-Loop einsetzen, sobald er seine Remissionsphase hinter sich hat und eine Insulinpumpe genehmigt bekommt. Haben Sie für diesen Fall schon Zukunftspläne?“

Ihre Lippen zittern leicht, als sie antwortet. Aus Wut und Entsetzen ist Resignation geworden.

„Das ist natürlich noch nicht spruchreif, aber wissen Sie, einige von uns haben schon zu den Kinderkrankheiten umgeschult. Durch die wachsende Zahl der Impfgegner haben wir gute Chancen, da nochmal ganz groß rauszukommen.“


Das war Tag 6 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
7 Themen.
1000 Perspektiven.
#DBW2018

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#4: Lebenszeitverschwendung

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 4 —

Heute: Diabetes-Nebenwirkungen

„Nee, komm Dörte. Nee, jetzt gibt’s mal kein Eis. Nee, echt nicht. Ich will noch zum Sport. Wie der Zucker ist unten?! Orrr, Dörte, ich hab doch keine Zeit für sowas!

Diabetes zu haben fühlt sich manchmal so an, als müsse man auf ein sehr müdes, sehr hungriges, sehr quengeliges Kind aufpassen. Unselbstständig auf der einen Seite, zugleich aber ausgestattet mit einem beeindruckenden Einfallsreichtum und einer außerordentlichen Kreativität, die sich nur auf eine einzige Aufgabe konzentriert: die Chaotisierung eines bis dato in ruhigen Fahrwassern verlaufenden Lebens. In Dörtes Fall: meinem Leben. Herzlichen Dank, Du undankbares Blag!

Sich darum zu kümmern kostet nicht nur Kraft, das kostet vor allem eins:

Lebenszeit!

Es ist ja nicht so als hätte ich in meinen 41 Jahren besondere Langeweile verspürt und mich nur danach gesehnt, fahl gewordenen Alltagssituationen eine neue Würze zu verleihen. Wahrlich nicht. Leider hockt mir seit letztem Jahr nun trotzdem dieses nörgelnde Etwas am Bein und sorgt in jeder Minute dafür, dass die Geschwindigkeit, mit der ich mich durch mein Leben bewege, auf Rollator-Niveau abgesunken ist.

Beispiele gefällig?

Aufwachen
Als erstes wird gemessen. Seit einigen Monaten brauche ich 1,5 bis 2,5 Einheiten, um die Morgenlatte das Morgenhoch in den Griff zu bekommen. Also heißt es aufstehen, runtergehen, Pen suchen, Nadel drauf, spritzen, Müll entsorgen und das ganze in die App eintragen. Jeden Morgen!

Essen
Einfach: Frühstück. Brötchen holen. Abwiegen. Zeitpunkt abpassen (10-20 Minuten vor dem Essen). Spritzen. 10-20 Minuten warten. Los! Ach nee, zuerst muss noch die Familie zusammengetrommelt werden. Und dann fehlt natürlich immer noch irgendwas auf dem Frühstückstisch. Etwa der Kakao aus frischer Yak-Milch oder die Erdbeer-Durian-Marmelade. Wie die ist alle? Dann müssen wir wohl nochmal eben einkaufen…

Weniger einfach: Restaurants. Wieviele Kohlenhydrate hat das Essen? Wann kommt es? Kann ich schon spritzen? Mach ich das hier am Tisch oder ist mir das vielleicht unangenehm? Nicht immer bin ich da tiefenentspannt, denn nicht jeder Tischnachbar eignet sich als stiller Zeuge dieser Nadel-in-Bauch-Zeremonie.

Noch weniger einfach: Buffets in Restaurants. Über eine lange Zeit essen? Mit jedem Gang neu entscheiden, ob man noch Hunger hat, auf was, wie viel. Pfff… mit so einer Spontanität brauche ich Dörte gar nicht erst zu kommen. Wir sind doch schließlich keine Hippies. Dörte braucht Planung!

Sport
Bei meinem ersten Training nach der Diagnose war ich echt unsicher. Das ist natürlich besser geworden, die Fragen aber sind geblieben:

Was für Sport soll es werden? Ausdauer? Kraft? In welchem Bereich ist der Blutzucker gerade? Ist noch Insulin wirksam? Wie entwickelt sich der Blutzucker während des Trainings? Muss ich zwischendurch ’ne Pause machen und was essen?

Ich persönlich fände die Idee übrigens ganz großartig, sich mal zwischendurch ’ne schön scharfe Sucuk-Peperoni-Pizza ins Fitnessstudio liefern zu lassen. Während die intensiven Knoblauch-Aromen auch bis in die letzte Ecke dringen, könnte man die Blicke mit einem selbstbewussten „‚tschuldigung, muss ’ne sportbedinge Hypo abfangen.“ kommentieren. Getraut hab ich mich das aber noch nicht…

Und danach auf der Couch? Da füllen sich die Muskeln wieder auf und saugen den Zucker aus’m Blut. Also schön aufpassen, sonst droht ’ne Hypo.

Sex
Was für Sex soll es denn werden? Ausdauer? Kraft? In welchem… ok, das war Quatsch. Aber kann man so einfach abschalten wie früher? Nein. Zwischendurch messen? Passiert. Zwischendurch Pause machen und was essen? Nicht ausgeschlossen.

Ach, ihr Schlingel, ich hör‘ schon wieder Eure Gedanken. Ja, natürlich könnte ich dann flüssigen Traubenzucker aus dem Bauchnabel… aber, nee. Und jetzt stell das Nutellaglas wieder weg. Wenn die Kinder morgen die Flecken sehen, denken die, wir hätten ins Bett gekackt und müssten so langsam ins Heim.

Alkohol
Einfach: Trinken. Dörte mag Bier. Und Wein. Und Wodka. Und… Trinken ist tatsächlich einfacher als essen. Auch wenn der Blutzucker erst einmal nach oben geht, Dörte wird schon wieder nüchtern und mit ihr kommt auch der Zucker zurück in den grünen Bereich. Allerdings hört er manchmal auch kaum auf zu sinken, denn…

Weniger einfach: Betrunken schlafen gehen. Die Leber arbeitet nach dem Motto „Alcohol first, carbs second“. Wo sonst Zucker ausgeschüttet würde, wird jetzt mit Hochdruck am Abbau des Alks gearbeitet. Das kann nach dem ein oder anderen Gläschen dazu führen, dass der Blutzucker in den freien Fall geht, weil der Zuckernachschub fehlt. Leider passiert das Stunden nach dem Genuss, also zu einer Zeit, in der man gerne mal mit leichten Karussellfahrten im Kopf ins Bett gehuscht ist und friedlich schlummert. Alkohol und schlafen ist also nicht die beste Kombination.

Zwischendurch. Immer.
Blutzucker im Blick halten. Irgendeine Schätzung kann immer daneben gelegen haben und in Richtung Unterzucker hat man einfach nicht so beliebig viel Spielraum, bis es ernst wird.
An den ganzen Kram denken. Am Anfang war ich sehr gewissenhaft. Das verliert sich… leider. Inzwischen ertappe ich mich immer mal wieder, dass ich ohne Traubenzucker oder ähnlichem unterwegs bin. Es hat mich auch schon mitten im Wald beim Laufen erwischt und das war wirklich kein schönes Gefühl. Auch den Pen hab ich schon vergessen — erst letzten Montag wieder — oder die Nadeln. Ärgerlich, aber im schlimmsten Fall ist dann nur das Essen gestrichen.

Lebensbremse

Bei all den möglichen Folgen und Nebenwirkungen, die der Diabetes so mit sich bringt, ist für mich im Moment eins besonders spürbar: die Lebenszeit, die man damit vergeudet.

Vielleicht ist meine Dörte tatsächlich weniger das quengelnde Kind, das mein Leben schlimmer drosselt als ein halbes Dutzend Bananen im Auspuff eines 3er BMWs. Vielleicht wird gerade Momo Realität und sie hat bei den grauen Herren ihre Ausbildung begonnen. Nun dreht sie mit all der Zeit, die ich verschwende eine Zigarre nach der anderen. Wenn sie so weitermacht, wird sie es bis ganz nach oben schaffen. Bei dem Gedanken fühle ich fast so etwas wie Stolz. *seufz* Meine kleine Dörte. Sie werden so schnell groß…


Das war Tag 4 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
7 Themen.
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