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#3: Der 2-Komponenten-Mini-Pen

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 3 —

Heute: Smarte Insulin-Pens – the next big thing?

„Na, Dörte, ’ne Idee?“„Ach, geh mir doch weg mit diesem neumodischen Kram!“

Smart. Was heißt das überhaupt? Früher, da waren die Menschen noch smart, wenn sie was in der Birne hatten. Heute ist jeder Kokolores smart, sobald es ’ne App dafür gibt oder das Ding mit diesem Internetz verbunden ist. Wohnzimmer-Funzel per App einschalten? *zack* Smart! Ich könnte auch rübergreifen und den Lichtschalter drücken, aber wo bin ich denn? In den 90ern? Nix da! Da hol ich doch lieber mein Handy raus, entsperr das kurz, such auf Seite 2… ach nee, Seite 3 die Smart Home App, klicke mich durch die Menüs und schon… ach nee… die WLAN-Verbindung ist gerade nicht da… Moment… das haben wir kurz… jetzt. *zack* Licht an. Voll smart!

Meine Kinder sind ein bisschen beeindruckt, dafür rollt meine Frau mit den Augen. Was das angeht, passen die 90er eh viel besser zu ihr, denn sie ist immer noch genau so hübsch wie 1995. Und smart ist sie auch, ganz ohne App. Wobei… so ’ne Schatzi-App… aber ich schweife ab.

Smarte Pens. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ’ne Pen-App haben möchte oder eine Verbindung ins Internet, aber es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die ich mir für meinen Binford 8200 Dia-Pen der Zukunft wünschen würde:

2-Komponenten-Pen für mehr Flexibilität

Mit jedem Essen überlegt man neu: wie viele Kohlenhydrate sind da drin, wie schnell wirken sie, wie sehr verzögert das Fett den Anstieg und was stellen Eiweiße und Fette in ein paar Stunden mit meinem Blutzucker an? Am Ende versucht man das alles mit genau einem einzigen Insulin zu regulieren. Wie soll ein einziges Mittel, mit genau einer Wirkkurve, das schaffen können? Genau: gar nicht! Also hantiert man mit Spritz-Ess-Abständen rum, teil sein Insulin auf, spritzt mehrmals und lebt am Ende damit, dass der Blutzucker länger in unerwünschten Bereichen unterwegs ist.

Das was die Pens nicht können, ist bei Insulinpumpen schon einfacher. Hier kann man das Insulin aufteilen und bestimmte Mengen über einen wählbaren Zeitraum abgeben lassen. Was wäre wohl, wenn man sowas ähnliches auch mit einem Pen erreichen könnte? Ich stelle mir einen 2-Komponenten-Pen vor, etwa mit 2 verschiedenen Insulinen. Ein schnelles, ein langsames. Oder vielleicht ist es auch ein schnelles Insulin, das man mit einem zusätzlichen Stoff verzögern kann. Im Pen stelle ich dann einfach neben der Insulinmenge noch die gewünschte Zeit ein und der Rest passiert automatisch durch eine geeignete Kombination aus beidem.

Size matters

Mir persönlich sind die Pens einfach zu groß. Sie passen so gerade eben in die Hosentasche und das auch nur, wenn es ein klassischer Pen ist. Diese smarten Pens mit ihrer Technik sind dafür bereits zu klobig. Warum eigentlich? Warum schleppe ich die meiste Zeit viel zu viel Insulin mit mir herum? Dass ich drei Wochen lang mit einem einzigen Pen auskomme, ist doch gar nicht nötig. Ein Pen, der nur halb so groß wäre, mit Insulin für eine Woche, würde mir vollkommen reichen. Ich könnte mehrere Pens gleichzeitig anbrechen, ohne mir Gedanken über die Haltbarkeit des Insulins zu machen.
Einer für die Arbeit.
Einer für zu Hause.
Einer für die Hosentasche.
Und dort würde der Mini-Pen dann auch viel besser reinpassen.

Multi-Pen-Nadel-Kassette

Bei den Lanzetten gibt es das bereits: eine 6-in-1-Stechhilfe, die direkt mehrere Lanzetten enthält. Für den Pen wünsche ich mir das auch: eine kleine Vorrichtung, die 6 oder besser noch 10 Nadeln beherbergt. Ich schraube sie anstelle einer einzigen Nadel auf den Pen und da kann ich sie gleich mehrere Tage drauf lassen. Trotzdem bekomme ich bei jeder Benutzung eine frische Nadel und hätte außerdem wieder ein bisschen weniger Zeugs, was ich vergessen kann.

Schmerzarm

Mimimi hin oder her, ab und an tut so eine Nadel echt weh. Muss das eigentlich sein? Wie wär’s, wenn die Spitze am Pen noch eine kleine Kühlfunktion integriert hätte? Man hält sich das Ding an den Bauch, drückt den „Bitte-jetzt“-Knopf und noch bevor die Nadel zusticht wird die Stelle einfach auf 5° Grad heruntergekühlt. Dann piept es kurz, die Nadel wird reingedrückt, das passende Insulingemisch hinterher, fertig.

Ist mein 2-Komponenten-Painless-Mini-Pen mit 10er-Nadelkassette smart, so ganz ohne App und Internetanschluss? Keine Ahnung. Aber er würde mir das Leben um einiges leichter machen.


Das war Tag 3 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
7 Themen.
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#DBW2018

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#2: Von Dia-Sci-Fi und Giselas Eiersalat

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 2 —

Heute: Wie sieht Dein Alltag mit Diabetes in 10 Jahren aus?

„Na, Dörte, ’ne Idee? Dörte? Dööööörte?“ — Weg ist sie!

In 10 Jahren

Nein, ich fürchte, auch in 10 Jahren werde ich meine Dia-Dörte noch an der Backe haben. Leider. Aber es wird sich einiges verändert haben. Mal sehen…

*Zauber-Glaskugel-Poliergeräusch*

Neue Unternehmen
Amazon und Google werden groß in das Diabetes-Geschäft einsteigen. Das wird helfen, OpenSource-Projekte wie OpenAPS und die Bemühungen um interoperable Geräte voranzutreiben. Man wird nicht nur Blutzuckersensoren und Insulinpumpen beliebig kombinieren können, es wird auch ein Ökosystem von mehr oder weniger sinnvollen Alltagshilfen entstehen.

Ich freue mich schon sehr auf den Pearl-Katalog Frühjahr/2028. Mein Lieblingsprodukt wird die Low-Sugar-Kanone mit Infrarot-Zielsystem sein. Sie verschießt treffsicher ihren Vorrat an Traubenzucker-Bonbons (mit 0,2 KE pro Sekunde) auf alle Menschen in Reichweite mit zu niedrigem Blutzucker. Wahlweise lässt sie sich auch mit M&Ms, Gummibärchen oder Joghurt-Gums befüllen und natürlich ist sie kompatibel zu allen gängigen CGM-Systemen.

Der digitalisierte Diabetes wird auch die Versicherungen auf den Plan rufen. Sie werden spezielle Tarife und Vergünstigungen für all diejenigen anbieten, die ihre Daten preisgeben. DMP-Programme werden digitalisiert und während sich vordergründig alles um die Gesundheit dreht, ist es am Ende natürlich nur das Geld. Und wie immer, wenn viel Geld im Spiel ist, wird es sehr schwer werden sich diesem Apparat entgegenzustellen. Der Großteil von uns wird zum gläsernen Diabetiker — Datenskandale inklusive.

Nicht zuletzt auch weil…

…Künstliche Intelligenz (KI)
Meine Aktivitäten, meine Orte, mein Essen. All das wird Grundlage für neue, KI-unterstützte Therapieempfehlungen werden. Momentan erinnert mich mein Handy, dass ich bei der aktuellen Verkehrslage bald losfahren sollte, um in 2 Stunden pünktlich beim Termin zu sein. In Zukunft wird es mir empfehlen, die Basalrate auf 82% zu reduzieren, um bei der aktuellen Wetterlage das wöchentliche Ausdauertraining bewältigen zu können. Abends im Restaurant bekomme ich dann Vorschläge für einen Spritz-Ess-Abstand auf Basis der Auslastung der Küche. Die Empfehlung der Insulinmenge berücksichtigt meinen Sport ebenso wie meine Blutzuckerkurven und die Erfahrungswerte anderer Diabetiker, die hier in der Vergangenheit die gleiche Pizza gegessen haben.

Und wenn man dann auf dem Heimweg, an diesem ersten Samstag im Monat, zufällig an der Ampel neben dem Swingerclub anhalten muss, liest das Auto plötzlich die neuste Dia-Empfehlung vor. Um eine Hypo zu vermeiden, solle man doch vor dem Clubbesuch mindestens 2 KE zu sich nehmen. Das habe man auf Basis der letzten 7 Besuche des anderen Diabetikers errechnen können, der gerade mit im Auto sitzt…
„Papa?!“
Die Ampel wird grün. Ein Auto hupt.

Aber vielleicht wird es ja auch ganz anders…

Eiersalat mit Zimt

31 Juli 2031. Wir sind in der Kleingartenanlage „Am glücklichen Gleis“ in Gelsenkirchen-Nord, wo Gisela Kombaloschewski (62) gerade ihren Nobelpreis für Medizin zurück in das dunkle Eiche-rustikal-Regal legt, auf das liebevoll selbst gehäkelte Deckchen. Der fröhlichen Fleischereifachverkäuferin ist der Stolz in ihr üppig geschminktes Gesicht geschrieben. „Ich hab et schon immer gewusst! ‚Heinz‘, hab ich gesagt, ‚Heinz, iss mehr Zimt, datt hat bei der Frau Dingens, da von gegenüber, auch geholfen.‘ Aber wissen se, der Heinz, der is da eigen.“ Und dann erzählt sie uns ihre Geschichte, wie ihr vor genau drei Jahren der Zimtstreuer in den guten Eiersalat gefallen sei. „Herrjemine, können se sich datt vorstellen?! Ausgerechnet in den Eiersalat, wo Heinz doch so eigen is.“ Wir halten kurz inne, ein bisschen aus Erfurcht um diesen Moment, vor allem aber weil gerade ein Güterzug vorüberrattert. Zusammen mit dem Klirren von Omas guten Kristallgläsern stimmt er eine für die Szenerie ebenso passende wie eindrucksvolle Melodie an.
In Heavy-Metal-Konzert-Lautstärke.
Erste Reihe.
Ganz außen.
Direkt vor den Boxen.
Gisela nutzt die kurze Pause und zieht ihren pinken Lippenstift nach. Kein leichtes Unterfangen, wo doch das ganze Gartenhäuschen bebt. Es ist dasselbe Pink wie auf Giselas künstlichen Fingernägeln und den Pumps, die mit ihren breiten Füßen etwas überfordert sind. Das Pink passt so perfekt zu Gisela wie ihre Leoparden-Leggings. Und Gisela passt so perfekt in diese Kleingartensiedlung wie die fünf Gartenzwerge, die rund um den moosbegrünten Vogelteich aus Marmorimitat aufgereiht sind. Als der Zug vorüber ist, erzählt Gisela den Rest ihrer Eiersalatgeschichte. Sie versuchte zu retten, was zu retten war und erhöhte gnadenlos den Fleischwurstanteil („mit“, betont Gisela, „Bestellen se immer ‚Fleischwurst mit‘! Ohne, wissen se, da fehlt nich nur der Knoblauch, da lassen sie manchmal auch datt Salz wech.“). Und dann kam das Wunder von Gelsenkirchen-Nord: Heinz verlor seinen Diabetes. Sie konnten es erst nicht glauben und so ging es auch dem Rest der Welt. Zwei Jahre haben die Forschungen gedauert, überall auf Welt, bis auch der letzte Zweifel ausgeräumt und die Sensation perfekt war. Die Mischung aus Giselas Eiersalat, jeder Menge Fleischwurst „mit“ und einer Überdosis Zimt heilt tatsächlich Diabetes. Der Rest ist Geschichte.
Mein Blick gleitet auf das Bild an der Wand, das Gisela bei der Verleihung in Stockholm zeigt. In der einen Hand den Nobelpreis, in der anderen ein Töpfchen Eiersalat und daneben das Komitee, das merklich mit der Fassung ringt. Das Pink von Giselas Nägeln passte damals schon gut zu ihr, denk ich. Und zu ihrer Leoparden-Leggings.


Das war Tag 2 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
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#DBW2018

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Gemeinsames Schlammbaden mit Dia-Dörte

Es ist eine seltsame Beziehung, die Dia-Dörte und ich im Januar begonnen haben. Zwangsehe nannte ich es mal und in der Tat kann ich sie in vielen Alltagssituationen spüren, die Dörte-from-Hell, wie sie hinter mir lauert, das Dia-Nudelholz hoch erhoben und mein Tun mit einer, jeder Kreissäge konkurrierenden Stimme kommentiert:

„Diese große, unberechenbare Pizza Calzone möchtest Du essen? Ha!“ *bämm*
„Eine Grippe bekommen und dasselbe spritzen wie gestern? Ha!“ *bämm*
„Sport treiben ohne nachzudenken? Ha!“ *bämm*

Jedesmal saust das Nudelholz herab und schlägt eine ordentliche Kerbe in meine Blutzuckerkurve. Schluss damit, dachte ich mir irgendwann. Zumindest im Kopf wollte ich mal wieder die Oberhand zurückgewinnen!

X-was?

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(© by Sportograf)

„But I always keep in mind that without challenge, there is no strength.“Eine Herausforderung musste her.

Letztes Jahr war ich bei so einem Schlammspektakel angemeldet. Diese Art Events, bei denen man freiwillig ein paar Kilometer durch Matsch und Dreck läuft, manchmal kriecht und klettert, sich die Ellenbogen aufschürft, im Eiswasser taucht, Bretterwände, Netze und sonstigen Schabernack bewältigt. Leider hatte damals mein Meniskus Veto eingelegt und die Teilnahme verhindert. Nun aber stand Xletix NRW 2017 vor der Tür, das Knie war okay, ich wog 13kg weniger (was mindestens bei der 3m Bretterwand die anderen Teammitglieder freuen sollte) und ich fühlte mich halbwegs fit — was also könnte mich diesmal abhalten? Dia-Dörte etwa? Ha! HA!!

Vorbereitungen

Ich fragte mich, was man wohl beachten muss, wenn man sich mit seiner Dia-Braut durch den Schlamm wälzen möchte? Wie bekommt man all die Technik unbeschadet durch Dreck und Wasser? Verlasse ich mich auf den Libre oder messe ich blutig? In welchem Bereich sollte mein Blutzucker liegen? Brauchte ich unterwegs Insulin?

20170903_082638-ANIMATIONIch schaute ein paar Youtube-Videos („I’m an athlete… who happens to have Type 1 Diabetes. Not the other way around.“) und las alle Erfahrungsberichte zum Thema Diabetes und Schlamm und Laufen. Langsam entstand ein Plan: Ich wollte mit etwa 200 mg/dL starten (moderat über meinem grünen Bereich) und kurz vorher noch einen 1 KE-Müsliriegel futtern. Bisher wirkte Sport bei mir ausschließlich BZ-senkend, daher sollte mein Insulin-Pen nicht mit. Meinen Libre Sensor wollte ich mit einem Rundum-Sorglos-Tape schützen und das Lesegerät packte ich in die patentierte Gerät-in-Kondom-in-Zipperbeutel-Schutzhülle — gerippt und mit Noppen erhielt das Display sogar eine eingebaute Brailleschrift (warum wir sowas im Haus hatten, ließ sich allerdings trotz gründlicher Recherche nicht endgültig klären ).

Wir starteten als Team von 15 Personen, wovon ich die wenigsten kannte. Sollte ich nochmal alle über meinen Diabetes informieren? Ich wollte keine Unruhe verbreiten und vor allem wollte ich nicht den Eindruck erwecken, man müsse sich besonders um mich kümmern. Auf der anderen Seite, für den absoluten Notfall (und natürlich flüsterte mir Dörte bereits mit heiserer Stimme Horrorszenarien ins Ohr) war es sicher besser, die anderen wüssten Bescheid. Meine kurze Nachricht wurde zum Glück sehr unspektakulär aufgenommen („Ach, kenn ich. Hat meine Freundin auch.“).

Aufgeregt? Nööööö!

Je näher der Termin kam, desto aufgeregter wurde ich. Schon Tage vorher begannen meine Liebste und ich uns gegenseitig verrückt zu machen. „Diese Hindernisse!“ (sie), „Dieser Diabetes!“ (ich). Ruhig und entspannt? Ha! Dia-Dörte hüpfte in mir wie ein Schimpanse auf Ecstasy. In einer Gummizelle. Aus Bananenschalen. *boing-boing-boing* Hatte ich an alles gedacht? Lesegerät? Traubenzucker? *boing-boing* Blutzuckermessgerät als Notfallersatz? Würde das Kondom halten? *boing-boing-boing* Übersteht das Tape den Matsch? Schaffte ich die Kletterpartien, ohne mir den Sensor abzureißen? *boing-boing*

Nico (6) stellte kurz vorher noch die Grundsatzfrage: „WARUM? Warum macht ihr das?“ Eine Frage, die wir öfters hörten. Unsere Antwort „Weil… es Spaß macht?!“ entsprang mehr unserer Hoffnung denn der Gewissheit, aber für Jungs in dem Alter klingt sie total plausibel. Hey, Matsch und Dreck und Schlamm! Die Blicke, die wir sonst so ernteten, konnte man dagegen eher als höfliche Empfehlung verstehen, sich den eigenen Menschenverstand mal lieber professionell untersuchen zu lassen…

T1D, irgendwer?

Der Tag der Tage.
Sachen packen.
Frühstücken.
Hinfahren.
Parken.
Anmelden.
*zack*
Schon standen wir im Startbereich, hatten grüne Schminke im Gesicht und tummelten uns in unseren Team-Shirts im Kreise Hunderter Gleichgesinnter. Apropos gleichgesinnt. Wie immer hielt ich Ausschau nach anderen Libre-Sensoren, Pumpen oder sonstigen Anzeichen für Dia-Verbündete. Vergeblich. Bis mich eine Mama aus dem eigenen Team ansprach. Ihre Tochter (11), die zum Zuschauen und Anfeuern mitgekommen war, hatte ebenfalls Typ 1 und wie sich herausstellte, fast zur selben Zeit bekommen wie ich. Oh Mann! Ich wusste kaum, was ich sagen sollte. Am liebsten hätte ich ihr irgendwie Mut gemacht, gesagt, dass sie sich bloß nicht unterkriegen lassen soll, aber ich hatte keine Ahnung wie. Und mal ehrlich… was hätte ich als 11 Jähriger gedacht, wenn auf einmal so ein alter Kerl vor Dir steht und seltsame Reden schwingt? Es wäre mir wohl reichlich seltsam vorgekommen. Wir beließen es also bei einer generationen-übergreifenden Einschätzung der Gesamtsituation: „So’n Scheiß braucht kein Mensch, oder?!“ Und vermutlich war damit auch das Wichtigste gesagt.

Der Lauf

Irgendwann wurde die 12 Uhr Welle in den Startbereich gerufen — es ging los! Die Jungs und Mädels von Gettoworkout waren fürs Aufwärmen verantwortlich. Muskelbepackt, durchtrainiert und lautstark standen sie auf der Bühne und feuerten uns an. Nach wenigen Sekunden war klar, hier geht Niemand an den Start, bevor er nicht „DIE BEINE IN DIE LUFT! HÖHER! UND SCHNELLER! NOCH 10! NOCH 9! LOS, GAS GEBEN! NOCH 5! ICH WILL EURE BEINE SEHEN!!!1elf! WOOHAAAA!!!!“ sich warm gemacht hatte.

Passend motiviert („WOOHAAA!“) ging es danach los auf die Strecke…

(viele Bilder © by Sportograf)

… und die Strecke machte unfassbar viel Spaß. Wir liefen die Terrassen des Steinbruchs entlang, vorbei an monströsen Baggern, allerlei Gerät, riesigen Felsen, kurz: einer Dreckgrube, die wie gemacht war für so ein Event. Hinter jeder zweiten Kurve bedauerte ich, von dieser grandiosen Kulisse keine Fotos machen zu können. Alle paar hundert Meter kam ein Hindernis. Man lief wie durch einen Kletterpark der etwas anderen Art. Meine persönlichen Highlights waren die Hindernisse, die Teamwork erforderten, wie zum Beispiel die 3m hohe Bretterwand. Ein Team, ein Ziel — der Slogan von Xletix wurde hier Realität. Und der Zusammenhalt hörte auch nicht an Teamgrenzen auf. Die Teilnehmer unterstützten sich gegenseitig, ausnahmslos. Die Stimmung auf der Strecke war großartig. Als Herausforderung empfand ich alles, bei dem man ins Wasser oder komplett in den Schlamm musste. Dort blitzten immer wieder Sorgen um die Technik auf. Bei drei Hindernissen habe ich die Dia-Tasche dann auch beiseite gelegt oder kurz einem anderen Läufer gegeben. Auch das klappte super.

Apropos super. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass meine Dia-Dörte ein kleiner Dreckspatz ist, aber sie hat sich den ganzen Lauf lang nicht gerührt. Brav blieb der Zucker im Bereich um die 200 mg/dL, das Lesegerät hat durch Zipperbeutel und Kondom hindurch einwandfrei funktioniert, der Sensor blieb schön, wo er ist und auch ich blieb nirgends hängen — insgesamt hätte es nicht besser laufen können. Die Illusion, man könne vielleicht blutig messen, erledigte sich übrigens bereits nach etwa 5m, als wir durch das erste Schlammloch mussten. Danach hätte man nur noch den Zuckergehalt des Wuppertaler Steinbruchstaubs messen können.

6 km, 15 Hindernisse und etwa 1 ½ Stunden später waren wir am Ziel. Schaum und Dreck machten uns zu einer Kombination aus Schneehühnern und Astronauten, aber wir waren total glücklich! Uns durchflutete eine Mischung aus Begeisterung und Stolz: „Yeah, alle Hindernisse geschafft!“ (meine Süße) „Yeah, Duck Fiabetes!“ (ich) „Schade, dass es schon vorbei ist.“ (wir beide)

Dia-Dörtes Revenge

Natürlich! Natürlich wachte Dia-Dörte irgendwann aus ihrem Fango-Schönheitsschlaf auf und dachte sich wohl, dass der Tag zu gut gelaufen war. Kurz vor unserer kleinen After-Run-Grillparty, auf der ich passenderweise mit dem Finisher-Shirt erscheinen wollte, nähte die kleine Hexe noch schnell die Armlöcher auf Zahnstochergröße zusammen. Als ich mir dann beim schwungvollen Anziehen den Sensor abriss, hörte ich sie leise kichern. Wie konnte ich auch nur geglaubt haben, ich hätte sie unter Kontrolle…

Nach dem Lauf ist vor dem Lauf

Das Event hat uns so sehr begeistert, dass die ersten Planungen für 2018 bereits stehen. Frei nach dem Motto öfter, länger, dreckiger sieht unsere Liste aktuell so aus:

Auf dass es ein dreckiges 2018 wird! WOOHAAA!!

Und wer ist von Euch dabei?

Die ersten Tage in Freiheit (FreeStyle-Story, Teil 2)

Was bisher geschah…

Seit ein paar Tagen bin ich stolzer Besitzer eines FreeStyle Libre Starter-Kits, bestehend aus einem Lesegerät (das ich dank NFC-fähigem Handy nicht nutze) und einem Sensor (den ich furchtlos und mutig — naja — in meinen Arm getackert habe). Details dazu und warum mir meine Krankenkasse die Sensoren bezuschusst, könnt ihr im ersten Teil nachlesen.

Scan as Scan can

Der Sensor braucht eine Stunde, bis man das erste Mal scannen darf. In der Zeit „adaptiert er die neue Umgebung“, meint der Hersteller. Aha. Vermutlich wird er stubenrein oder stellt sich den Nachbarn vor. Also sahen meine ersten 90 Minuten etwa so aus:
60 Min: Auf die Uhr gucken — warten — nachsehen — warten — nachsehen — warten…
30 Min: Scannen. *brumm-brumm* 157. Cool! Scannen. *brumm-brumm* 169. Cool! Scannen.*brumm-brumm* 178. Cool! Scannen. Scannen. Scannen…

Groooßartiges Spielzeug Hilfsmittel! Das Abendessen wanderte langsam in meine Blutbahn und ich war live dabei; Reality-TV der etwas anderen Art. Ich hätte noch Stunden zugucken können, aber es war Zeit fürs Bett. Inzwischen war der BZ bei 186, ich war gespannt auf morgen.

Der Morgen danach

Die erste Tat: der Griff ging zum Handy, kurz entsperren, an den Arm halten *brumm-brumm*, dann ein verschlafener Blick auf  AAAHHHHHH!!!!! WAS IST DENN DAS?

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Was ich sah war eine Talfahrt, nein, eigentlich ein Sturzflug, durch den grünen in den roten Bereich und von dort ins… Nichts? Nach etwa einer Stunde im Blutzucker-Bermudadreieck kam der Wert wieder herausgekrabbelt und versteckte sich morgens scheinheilig hinter der 102. Nicht, dass ich bereits Profi in der Analyse oder Interpretation solcher Graphen wäre, aber soviel verriet mir die gesellschaftlich etablierte Farbenlehre: das rot stand vermutlich nicht für „rrrichtig optimal“.

Ehrlich gesagt war ich leicht geschockt. Allerdings mehr durch das, was ich dort sah, als durch etwas, was ich fühlte. Hatte ich unruhig geschlafen? Eigentlich nicht. Verschwitzt war ich auch nicht. Was war mit den ganzen Unterzuckerungsanzeichen, von denen ich gelesen hatte?

Hochgradig beunruhigt fuhr ich morgens direkt mal zum Dia-Doc:

„Oh, damit hätte ich nicht gerechnet.“ 

Schön, da waren wir uns ja einig. Dann folgte eine kurze Lobeshymne auf das FreeStyle, weil man diese Werte früher nicht gesehen hätte. Stimmt, dachte ich mir, wer weiß, wie oft das bereits passiert ist.

Ergebnis: ich solle das Basalinsulin reduzieren. Außerdem müsse ich nun „etwas vorsichtig“ sein und solle mir besser nachts den Wecker stellen. 3 Uhr sei eine gute Zeit. Gute Zeit? Ernsthaft? Kaum sind die eigenen Kinder aus dem Alter raus, bekommt man ungefragt ein Pflegekind namens „Diabetes-Dörte“, das mitten in der Nacht umsorgt werden möchte. Mpf!

Nacht Nr. 2

Wenn ich mir sonst den Wecker für 3 Uhr nachts stelle, hat das meist etwas mit Süden und Sonne und einem bunt bemalten Urlaubsflieger zu tun. Nicht, um sich in den Finger zu stechen.

3:03 Uhr: Trotz Mitternachtssnack war der Blutzucker inzwischen auf 87 gesunken und zwang mich zu einer Nacht-BE. Um 3 Uhr. Nach 3h Schlaf. Ich hatte eine Spitzenlaune.

Mein Sensor wohl auch, denn das Scannen am nächsten Morgen wurde mit einer Fehlermeldung quittiert. Anschließend waren sich App und Lesegerät einig, mein Sensor sei abgelaufen und müsse getauscht werden. Großartig! Mein einziger Sensor kündigte nach 1,5 Nächten fristlos seinen Dienst und ich hatte natürlich keinen Ersatz zu Hause. Und das, wo sich das Gerät bereits in der ersten Nacht erfolgreich unverzichtbar gemacht hatte.

Der zweite Morgen in Folge, bei dem leichte Panik in mir hochkroch.

Meine Todo-Liste für diesen Morgen war:

  1. Zwei Ersatzsensoren bestellen
    Der Libre hatte durch die nächtlichen BZ-Kurven tatsächlich mal Licht ins Dunkle gebracht — im wahrsten Sinne des Wortes. Also wollte ich unbedingt eine Notfallration für den Fall, dass sich mal wieder ein Sensor selbst pensionieren würde.
  2. Abott-Hotline anrufen
    Das klappte super, der Service war exzellent. Der Mitarbeiter an der Hotline war nett und obwohl ich ihm die Fehlercodes nicht durchgeben konnte (das FreeStyle Lesegerät lag zu Hause), schickte er sofort einen Ersatzsensor auf den Weg.
  3. Basal reduzieren (erneut)
    Das Absacken in der Nacht musste aufhören und außerdem fände ich es knorke, wenn Dia-Dörte und ich mal wieder durchschlafen könnten. Also: 4 minus 2 = 2; ich nannte es Toujeo light…

Happy End

Schon am nächsten Tag kam die gelb-schwarze Postkutsche mit meinem persönlichen DHL-Helden angeritten und lieferte mir die drei Sensoren. So konnte ich mich nachmittags schon wieder ausstatten und wenn er nicht gestorben ist, so läuft der Sensor noch heute…

Alternative Ursachen

Ich hab noch eine Weile über die angezeigte Unterzuckerung nachgedacht. Seltsam finde ich daran vor allem, dass ich morgens keine körperlichen Anzeichen hatte. Das passt so gar nicht zu den Erfahrungsberichten, die ich bisher zu solchen Unterzuckerungen gelesen hatte. Die Stunde im Bereich < 40 mg/dl hätte ich doch spüren müssen?!

Bei der Internetrecherche zu dem Thema bin ich auf eine alternative Erklärung gestoßen: Wenn man auf der Seite liegt, also auf dem Sensor, kann der Wert fälschlicherweise zu niedrig angezeigt werden. Der Druck auf den Sensor und die verdrängte Gewebeflüssigkeit sollen der Grund hierfür sein. Klingt ein Stück weit plausibel. Wobei… schlafen nicht so viele auf der Seite, dass dieses Problem deutlich häufiger auftreten müsste?

Wie sind Eure Erfahrungen dazu?
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An App for that

„Gibt es eigentlich eine App für…“„Ja!“

Denn es gibt für alles eine App. Für alles! Und ist das nicht großartig? Ich liebe die Technik und hab mich natürlich auf die Suche nach sinnvollen Diabetes-Begleitern gemacht.

Diabetes-Monster zähmen

Mein Diabetes-Starter-Kit enthielt neben Spritzen und Messstreifen und Fingerkuppenfolterwerkzeugen auch ein kleines Büchlein, in das ich meine Blutzuckerwerte eintragen sollte. Analog. Offline. Haha!

Aktuell verwende ich mySugr, einer App aus Wien. Die App ist zugegebenermaßen etwas bunt und verspielt, aber hey!, passt doch prima zu meinem späten Jugendlichen Diabetes.

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Das Eintragen von Blutzuckerwerten, Insulineinheiten, verzehrten BEs, Medikamenten, Notizen und vielen Informationen mehr klappt einfach und schnell.

Es lassen sich sogar Fotos einzelnen Einträge hinzufügen, was helfen kann, die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel besser zu erklären. Ob im Restaurant, wenn man die BEs nicht so gut vorhersagen kann oder beim Sport, etwa um eine Beziehung zu den gelaufenen Kilometern herzustellen. Fotos vom Essen, der Speisekarte oder Screenshots einer Sport-App können bei einer späteren Analyse helfen.

Die Reports der App sind schick und fassen die wichtigsten Informationen verschiedener, auswählbarer Zeiträume zusammen. Mir machen die „grünen Tage“ Spaß und die App schafft es tatsächlich, mich zu motivieren.

BEs zählen

Wieviele BEs hat eigentlich eine Tafel weiße Schokolade? Oh! Und eine halbe? Oder wenigstens ein Riegel?

fddb.info beantwortet diese Frage für Dröfzig Tausend Milliarden Lebensmittel, egal ob aus dem Supermarkt, vom Bäcker, Restaurants oder für Selbstgekochtes.

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Eine passende App, die den Zugang zur FDDB erleichtert, ist Kalorienzähler Foodscanner. Man kann die gewünschten Köstlichkeiten suchen (z.B. über den Barcode auf der Verpackung) und bekommt neben den Nährwerten auch oft die übliche Portionsgröße angezeigt (1 Glas, 1 Scheibe, 1 Tafel usw.). Wenn man die Menge wählt und einer Mahlzeit zuordnet, zeigt die Übersicht auf einen Blick, was man sich da so vorgenommen hat — wenn man möchte, direkt in BEs.