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Messe(n)messe

„Guck mal, nächsten Samstag findet der Wuppertaler Diabetikertag statt. Wär das nicht was für Dich?“

Diabetikertag? Eine Messe für Messsüchtige? Jede Menge Insulinabhängiger, darunter T1D-Neulinge wie mich — Gleichgesinnte treffen, von Angesicht zu Angesicht, live, old school, offline?
Ja, warum eigentlich nicht?!

Motto

Ein Motto hatte der Tag auch: Behandlung von Diabetes: Was ist der aktuelle Stand? Cool, dachte ich, dann gibt es sicher Infos zu den neuen Turbo-Insulinen, zu aktuellen CGMs, Insulinpumpen, Closed Loop-Systemen und anderen Highlights der nächsten Jahre.

Zwei Tage vorher erschien noch ein Zeitungsartikel, in dem was von „Abnehmen oder bewegen“ und „wenn die Tabletten nicht mehr wirken“ stand. Tabletten? Abnehmen? So richtig nach Typ 1 hörte sich das nicht mehr an.

Typ 1, anyone?

Der Veranstaltungsort war eine Schule, die Vorträge wurden in der Aula gehalten und im Gang davor waren Stände verschiedener Firmen aufgebaut. Dort tummelte sich auch bereits das Publikum; gefühlter Altersschnitt 65+. Es schien, als würde der Abi-Jahrgang von 1967 hier sein 50. Ehemaligen-Treffen feiern. Pfiffig, fand ich. Ein Schulausflug der besonderen Art. Unter ärztlicher Aufsicht und mit kostenloser Apfelschorle und Schokokeksen von der lokalen Selbsthilfegruppe. Es sei ihnen gegönnt, nur wo bitte war meine Alterklasse?

Der moderierende Arzt bestätigte meine Befürchtung: das Angebot für Typ 1er sei hier eher überschaubar. Die Vorträge richteten sich hauptsächlich an den klassischen Altersdiabetiker, der etwas über Metformin-Alternativen oder Sportangebote erfahren konnte. Ich horchte kurz in mich, ob das Seniorenschwimmen was für mich sein könnte… aber nee, ich war ja bereits woanders zum Sport angemeldet.

Mini-Messe

Blieben mir noch die Angebote der Firmen und ich muss sagen, die fand ich wirklich interessant.

Abbott zeigte seinen FreeStyle Libre und verteilte fleißig Anmeldungen zum kostenlosen Test. Zu meinem Bedauern hatten sie keine Geräte zum Mitnehmen und überraschenderweise wollte der Mitarbeiter auch nicht auf sein Vorführgerät verzichten. ッ Ich muss ja sagen, die Vorstellung, das ständige In-den-Finger-stechen reduzieren zu können, löst bei mir ein extremes Habenwollenundzwarjetztsofort-Gefühl aus.

Dexcom zeigte seine CGMs G4 und G5. Amateur-artig ausgedrückt: ein FreeStyle, nur mit aktivem Sender, der den Wert ständig und von sich aus an ein extra Gerät (G4) oder auch ans Handy (G5) senden kann. Oh Mann, ich seh schon die Heimautomatisierung auf einem neuen Level. IFTTT-Skripte, die bei Werten unter 100 automatisch Pizza bestellen, den Schokobrunnen anwerfen oder KEKSE!-WhatsApp-Nachrichten an Frau und Kinder verschicken. Oder wie wär’s mit einer Phillips Hue-Lampe, deren Farbton von meinem Zuckerwert abhängt. Da weiß die Familie direkt Bescheid, wenn die Stimmung mal zu kippen droht und kann rechtzeitig die Flucht ergreifen.

Aber auch hier: kein Gerät zum Mitnehmen (was bei 1.500,- € für das System nicht allzu sehr überrascht).

Bayer, Roche und One Touch waren spendabler. Sie zeigten nicht nur ihre Blutzuckermessgeräte, gegen Abgabe der persönlichen Daten konnte man das neue Accu-Check Guide oder auch das Contour Next One kostenlos mit nach Hause nehmen.

Das Guide hat mich inzwischen übrigens echt überzeugt. Die Messstreifen sind schön klein und in einer Box ordentlich hintereinander aufgereiht, ohne dass sie herauspurzeln können. Nach dem Messen überträgt das Gerät den Wert automatisch aufs Handy, sogar in meine Lieblings-App mySugr. Das ist fast schon perfekt.
Wegen der kleinen Form fand ich das Contour auch interessant, aber wie kann man heutzutage ein Gerät bauen, dass die Daten wieder nur an die eigene App schickt?! Das ist ja fast 90er

Ansonsten waren noch Insulin- und Penhersteller anwesend, aber da habe ich aktuell weder das Bedürfnis noch die Ahnung, irgendwas zu wechseln.

Fazit

Insgesamt erinnerte mich die Stimmung an die frühen CeBit-Jahre, wo manche Besucher — vom Jagdinstinkt getrieben — die Stände abklapperten, auf der Suche nach den größten, buntesten und tollsten Werbegeschenken. In diesem Fall: nach den neusten Blutzuckermessgeräten. Oder Taschen. Oder Stechhilfen. Oder wenigstens ein paar Kugelschreibern.

Ein paar Dinge mal „in echt“ zu sehen und anfassen zu können, fand ich toll. Ich hatte zum Beispiel nicht auf dem Schirm, dass FreeStyle und CGM einen flexiblen Faden unter die Haut jagen und gar keine Nadel. So hat sich der Besuch also gelohnt, auch wenn bei der Vortragsreihe nichts für mich dabei war. Hier habe man in den letzten Jahren immer mal wieder was angeboten, aber die Resonanz sei einfach zu niedrig gewesen, sagte man mir.

Schade, aber vielleicht ändert sich das auch mal wieder!

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Später Jugendlicher

Lange sitze ich nicht im Wartezimmer, da kommt mir die Diabetesberaterin schon entgegen und es geht an den anderen Wartenden vorbei direkt ins Zimmer.

Blutzuckermessung (die 2. heute).
Blut abnehmen (2. mal heute).

Dann kommt die Aufklärung. Ich sei wohl ein „später Jugendlicher“. Ein bisschen Stolz flammt in mir auf. Ja, so fühle ich mich auch: jung geblieben; eher so 39 als 41; später Jugendlicher ist ein toller Begriff dafür!

Der Arzt schmunzelt und dann gibt es jede Menge Begriffe, von denen ich so noch nie was gehört habe: LADA, Typ 1, Ketone, ß-Zellen, Antikörper, Autoimmun, … danach ist mir gar nicht mehr so spät jugendlich zumute.

„Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet, aber um 1900 herum wären Sie daran noch gestorben.“

Aha. Interessant.

„Wir werden jetzt direkt Insulin spritzen, damit die Werte runtergehen.
Und ab morgen werden Sie das jeden Tag selber machen müssen.“

Aaaha. Interessant.

Ich gucke ganz gespannt dabei zu, wie sie das Insulin in meinen Bauch spritzt. Seltsam. Das bin ich jetzt? Ein Diabetiker? Langsam, ganz langsam macht sich diese Erkenntnis auf den Weg Richtung Verstand, ohne dort wirklich anzukommen.

„Jetzt Nr. 2. Soll ich nochmal oder möchten Sie?“

„Ich? Auf keinen Fall!“, denke ich mir. Dazu braucht man doch geschultes Personal, eine eigene Krankenschwester zum Beispiel, mindestens. Das kann ich doch unmöglich selber! Also sage wild entschlossen:

„Ähh. Ich kann’s ja mal versuchen.“

Es ist kurz vor 11 Uhr und von „ich wollte doch nur einen Termin“ bis „ich spritze mir selbst Insulin in meinen Bauch“ sind gerade mal 3 Stunden vergangen. An manchen Tagen läuft’s halt bei mir, auch wenn es heute nur Insulin und Blut sind.

Irgendwann kommt Blutzuckermessung Nr. 3 und der Wert ist tatsächlich ein wenig niedriger als heute morgen. Mit einer Tüte voll Equipment und etwa sieben Tausend Fragen mache ich irgendwann auf den Weg nach Hause.