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Später Jugendlicher

Lange sitze ich nicht im Wartezimmer, da kommt mir die Diabetesberaterin schon entgegen und es geht an den anderen Wartenden vorbei direkt ins Zimmer.

Blutzuckermessung (die 2. heute).
Blut abnehmen (2. mal heute).

Dann kommt die Aufklärung. Ich sei wohl ein „später Jugendlicher“. Ein bisschen Stolz flammt in mir auf. Ja, so fühle ich mich auch: jung geblieben; eher so 39 als 41; später Jugendlicher ist ein toller Begriff dafür!

Der Arzt schmunzelt und dann gibt es jede Menge Begriffe, von denen ich so noch nie was gehört habe: LADA, Typ 1, Ketone, ß-Zellen, Antikörper, Autoimmun, … danach ist mir gar nicht mehr so spät jugendlich zumute.

„Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet, aber um 1900 herum wären Sie daran noch gestorben.“

Aha. Interessant.

„Wir werden jetzt direkt Insulin spritzen, damit die Werte runtergehen.
Und ab morgen werden Sie das jeden Tag selber machen müssen.“

Aaaha. Interessant.

Ich gucke ganz gespannt dabei zu, wie sie das Insulin in meinen Bauch spritzt. Seltsam. Das bin ich jetzt? Ein Diabetiker? Langsam, ganz langsam macht sich diese Erkenntnis auf den Weg Richtung Verstand, ohne dort wirklich anzukommen.

„Jetzt Nr. 2. Soll ich nochmal oder möchten Sie?“

„Ich? Auf keinen Fall!“, denke ich mir. Dazu braucht man doch geschultes Personal, eine eigene Krankenschwester zum Beispiel, mindestens. Das kann ich doch unmöglich selber! Also sage wild entschlossen:

„Ähh. Ich kann’s ja mal versuchen.“

Es ist kurz vor 11 Uhr und von „ich wollte doch nur einen Termin“ bis „ich spritze mir selbst Insulin in meinen Bauch“ sind gerade mal 3 Stunden vergangen. An manchen Tagen läuft’s halt bei mir, auch wenn es heute nur Insulin und Blut sind.

Irgendwann kommt Blutzuckermessung Nr. 3 und der Wert ist tatsächlich ein wenig niedriger als heute morgen. Mit einer Tüte voll Equipment und etwa sieben Tausend Fragen mache ich irgendwann auf den Weg nach Hause.

Einen Termin, bitte.

Eigentlich wollte ich doch nur einen Termin zum Checkup machen. Wobei, wenn ich ehrlich bin, ein paar Dinge waren mir bereits aufgefallen und gefielen mir nicht. 13kg weniger und das bei meinem Süßigkeitenkonsum? Und dann dieser Durst! Ohne es gemessen zu haben, kam ich inzwischen sicher auf 3-4l.

Dieser Durst

Wobei, messen ist vielleicht eine gute Idee. Da gibt’s doch sicher ne App für. Tatsächlich: Fitbit kann das. Also los!
Samstag: knapp 6l. Oh!
Sonntag: knapp 5l. Oohh!
Na gut, normal war das vermutlich wirklich nicht.

Einen Termin bitte…

Nun stehe ich am Tresen (sic!) der Hausarztpraxis und möchte einen Termin. Das mit dem Gewicht und dem Durst erwähne ich vorsichtshalber mal.

“Mhh… Hat man bei Ihnen schon mal den Blutzucker gemessen?”
“Nö.”
“Na, dann machen wir das mal eben.”

(1 Piekser, ein Blutstropfen und wenige Sekunden später)

“Oh! OH! OHHH!”

Wird sie etwa blass? Ach Quatsch. Aber wenn man diese Worte schon nicht hören möchte, wenn der Mechaniker unter die Motorhaube schaut, dann erst recht nicht bei einem medizinisch geschulten Blick auf die eigenen Blutwerte.

“Sie haben Zucker! Da kann ich Sie jetzt nich’ so einfach gehen lassen. Setzen Sie sich mal!”

Ähm. Aha. Na gut. Und jetzt?