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Hypochondrischer Herbst

Und dann sind da diese Tage…

Tage, an denen einer meiner Jungs auf einmal trinkt, als käme er gerade von einem mehrtägigen Fußmarsch zurück.
Durch die Wüste Gobi.
Ohne Wasservorräte, weil in seinem selbst gepackten Lieblingsrucksack neben dem ferngesteuerten Buggy leider kein Platz mehr war.

Nach seinem dritten Glas werde ich aufmerksam, bei Nr. vier hake ich im Kopf mögliche Erklärungen ab. Was hat er gegessen? War er heute beim Sport? Hatte er vielleicht keine Zeit, keine Gelegenheit, nichts zu trinken dabei? Hat der Hamster noch seinen Leckstein? Wenn er dann nach einem *rülps* Boah, hab ich Durst!“ noch immer zur Wasserkaraffe schielt, bin ich kurz davor, in Lucky-Luke-Geschwindigkeit das Accu-Chek aus meinem (Dia-)Halfter zu ziehen.

Oder wie letztens: erst traf ich den Großen (9) nachts auf Toilette, dann erzählt er mir am Morgen, dass er in der Nacht insgesamt 3x raus musste. So fing das bei mir auch an, schießt es mir durch den Kopf. Hätte ich Ketonmessstreifen in der Hosentasche, würde ich sie ihm vermutlich in die Hand drücken. Zum Glück liegen die weit weg, unten, in meiner Dia-Kiste. Obwohl… so weit weg ist die gar nicht…. nur die Treppe runter… ich könnte sie eben holen… soll ich?

In diesen Situationen kriecht die Angst in mir empor, dass es eins meine Kinder getroffen hat. Genau in diesem Moment. Diese Angst legt sich über meinen Verstand wie Nebel, der in frühen Morgenstunden ganze Felder und Täler verschwinden lässt.

Irgendwo unter diesem beklemmenden Gefühlsnebel ist mir klar, dass das Risiko für meine beiden Jungs durch meinen eigenen Typ 1 leicht, aber nicht dramatisch gestiegen ist. Dass diese kleinen „Anzeichen“, gar keine Anzeichen, sondern vermutlich völlig harmlos sind. Dass es Niemandem hilft, in Panik auszubrechen oder auf einmal zum Helicopter-Papa zu werden.

Aber!

Ey, Gefühle, ja?! Manchmal halten sie kurz die Klappe und man glaubt, man habe sie überzeugen können. Aber meist kontern sie nach meiner durchaus gut vorbereiteten, hervorragend argumentierten und mit jeder Menge Fakten belegten Rede schlicht mit: „Mir doch egal, ich hab jetzt einfach Angst, weil ich VERDAMMT NOCHMAL NICHT WILL, DASS ES SIE AUCH ERWISCHT!“. Laut. Trotzig. Mit herausgestreckter Zunge und erhobenem Mittelfinger! Und dann startet doch der kleine Heli mit Dia-Dörte an Bord, die mal eben Ketonstreifen und Messgerät von unten holt…

PS

Heute bin ich zur Arbeit gefahren und an meiner Lieblingsstelle in dieser Jahreszeit vorbeigekommen.

Dieser Bodennebel im Herbst, früh morgens, wenn die Sonne aufgeht. Der sich auf Täler und Wiesen legt. Der ist echt mal viel zu schön, um ihn in einem Dia-Herbstblues schlecht wegkommen zu lassen…

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