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#3: Der 2-Komponenten-Mini-Pen

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 3 —

Heute: Smarte Insulin-Pens – the next big thing?

„Na, Dörte, ’ne Idee?“„Ach, geh mir doch weg mit diesem neumodischen Kram!“

Smart. Was heißt das überhaupt? Früher, da waren die Menschen noch smart, wenn sie was in der Birne hatten. Heute ist jeder Kokolores smart, sobald es ’ne App dafür gibt oder das Ding mit diesem Internetz verbunden ist. Wohnzimmer-Funzel per App einschalten? *zack* Smart! Ich könnte auch rübergreifen und den Lichtschalter drücken, aber wo bin ich denn? In den 90ern? Nix da! Da hol ich doch lieber mein Handy raus, entsperr das kurz, such auf Seite 2… ach nee, Seite 3 die Smart Home App, klicke mich durch die Menüs und schon… ach nee… die WLAN-Verbindung ist gerade nicht da… Moment… das haben wir kurz… jetzt. *zack* Licht an. Voll smart!

Meine Kinder sind ein bisschen beeindruckt, dafür rollt meine Frau mit den Augen. Was das angeht, passen die 90er eh viel besser zu ihr, denn sie ist immer noch genau so hübsch wie 1995. Und smart ist sie auch, ganz ohne App. Wobei… so ’ne Schatzi-App… aber ich schweife ab.

Smarte Pens. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ’ne Pen-App haben möchte oder eine Verbindung ins Internet, aber es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die ich mir für meinen Binford 8200 Dia-Pen der Zukunft wünschen würde:

2-Komponenten-Pen für mehr Flexibilität

Mit jedem Essen überlegt man neu: wie viele Kohlenhydrate sind da drin, wie schnell wirken sie, wie sehr verzögert das Fett den Anstieg und was stellen Eiweiße und Fette in ein paar Stunden mit meinem Blutzucker an? Am Ende versucht man das alles mit genau einem einzigen Insulin zu regulieren. Wie soll ein einziges Mittel, mit genau einer Wirkkurve, das schaffen können? Genau: gar nicht! Also hantiert man mit Spritz-Ess-Abständen rum, teil sein Insulin auf, spritzt mehrmals und lebt am Ende damit, dass der Blutzucker länger in unerwünschten Bereichen unterwegs ist.

Das was die Pens nicht können, ist bei Insulinpumpen schon einfacher. Hier kann man das Insulin aufteilen und bestimmte Mengen über einen wählbaren Zeitraum abgeben lassen. Was wäre wohl, wenn man sowas ähnliches auch mit einem Pen erreichen könnte? Ich stelle mir einen 2-Komponenten-Pen vor, etwa mit 2 verschiedenen Insulinen. Ein schnelles, ein langsames. Oder vielleicht ist es auch ein schnelles Insulin, das man mit einem zusätzlichen Stoff verzögern kann. Im Pen stelle ich dann einfach neben der Insulinmenge noch die gewünschte Zeit ein und der Rest passiert automatisch durch eine geeignete Kombination aus beidem.

Size matters

Mir persönlich sind die Pens einfach zu groß. Sie passen so gerade eben in die Hosentasche und das auch nur, wenn es ein klassischer Pen ist. Diese smarten Pens mit ihrer Technik sind dafür bereits zu klobig. Warum eigentlich? Warum schleppe ich die meiste Zeit viel zu viel Insulin mit mir herum? Dass ich drei Wochen lang mit einem einzigen Pen auskomme, ist doch gar nicht nötig. Ein Pen, der nur halb so groß wäre, mit Insulin für eine Woche, würde mir vollkommen reichen. Ich könnte mehrere Pens gleichzeitig anbrechen, ohne mir Gedanken über die Haltbarkeit des Insulins zu machen.
Einer für die Arbeit.
Einer für zu Hause.
Einer für die Hosentasche.
Und dort würde der Mini-Pen dann auch viel besser reinpassen.

Multi-Pen-Nadel-Kassette

Bei den Lanzetten gibt es das bereits: eine 6-in-1-Stechhilfe, die direkt mehrere Lanzetten enthält. Für den Pen wünsche ich mir das auch: eine kleine Vorrichtung, die 6 oder besser noch 10 Nadeln beherbergt. Ich schraube sie anstelle einer einzigen Nadel auf den Pen und da kann ich sie gleich mehrere Tage drauf lassen. Trotzdem bekomme ich bei jeder Benutzung eine frische Nadel und hätte außerdem wieder ein bisschen weniger Zeugs, was ich vergessen kann.

Schmerzarm

Mimimi hin oder her, ab und an tut so eine Nadel echt weh. Muss das eigentlich sein? Wie wär’s, wenn die Spitze am Pen noch eine kleine Kühlfunktion integriert hätte? Man hält sich das Ding an den Bauch, drückt den „Bitte-jetzt“-Knopf und noch bevor die Nadel zusticht wird die Stelle einfach auf 5° Grad heruntergekühlt. Dann piept es kurz, die Nadel wird reingedrückt, das passende Insulingemisch hinterher, fertig.

Ist mein 2-Komponenten-Painless-Mini-Pen mit 10er-Nadelkassette smart, so ganz ohne App und Internetanschluss? Keine Ahnung. Aber er würde mir das Leben um einiges leichter machen.


Das war Tag 3 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
7 Themen.
1000 Perspektiven.
#DBW2018

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#2: Von Dia-Sci-Fi und Giselas Eiersalat

DBW-2018Diabetes-Blog-Woche
— Tag 2 —

Heute: Wie sieht Dein Alltag mit Diabetes in 10 Jahren aus?

„Na, Dörte, ’ne Idee? Dörte? Dööööörte?“ — Weg ist sie!

In 10 Jahren

Nein, ich fürchte, auch in 10 Jahren werde ich meine Dia-Dörte noch an der Backe haben. Leider. Aber es wird sich einiges verändert haben. Mal sehen…

*Zauber-Glaskugel-Poliergeräusch*

Neue Unternehmen
Amazon und Google werden groß in das Diabetes-Geschäft einsteigen. Das wird helfen, OpenSource-Projekte wie OpenAPS und die Bemühungen um interoperable Geräte voranzutreiben. Man wird nicht nur Blutzuckersensoren und Insulinpumpen beliebig kombinieren können, es wird auch ein Ökosystem von mehr oder weniger sinnvollen Alltagshilfen entstehen.

Ich freue mich schon sehr auf den Pearl-Katalog Frühjahr/2028. Mein Lieblingsprodukt wird die Low-Sugar-Kanone mit Infrarot-Zielsystem sein. Sie verschießt treffsicher ihren Vorrat an Traubenzucker-Bonbons (mit 0,2 KE pro Sekunde) auf alle Menschen in Reichweite mit zu niedrigem Blutzucker. Wahlweise lässt sie sich auch mit M&Ms, Gummibärchen oder Joghurt-Gums befüllen und natürlich ist sie kompatibel zu allen gängigen CGM-Systemen.

Der digitalisierte Diabetes wird auch die Versicherungen auf den Plan rufen. Sie werden spezielle Tarife und Vergünstigungen für all diejenigen anbieten, die ihre Daten preisgeben. DMP-Programme werden digitalisiert und während sich vordergründig alles um die Gesundheit dreht, ist es am Ende natürlich nur das Geld. Und wie immer, wenn viel Geld im Spiel ist, wird es sehr schwer werden sich diesem Apparat entgegenzustellen. Der Großteil von uns wird zum gläsernen Diabetiker — Datenskandale inklusive.

Nicht zuletzt auch weil…

…Künstliche Intelligenz (KI)
Meine Aktivitäten, meine Orte, mein Essen. All das wird Grundlage für neue, KI-unterstützte Therapieempfehlungen werden. Momentan erinnert mich mein Handy, dass ich bei der aktuellen Verkehrslage bald losfahren sollte, um in 2 Stunden pünktlich beim Termin zu sein. In Zukunft wird es mir empfehlen, die Basalrate auf 82% zu reduzieren, um bei der aktuellen Wetterlage das wöchentliche Ausdauertraining bewältigen zu können. Abends im Restaurant bekomme ich dann Vorschläge für einen Spritz-Ess-Abstand auf Basis der Auslastung der Küche. Die Empfehlung der Insulinmenge berücksichtigt meinen Sport ebenso wie meine Blutzuckerkurven und die Erfahrungswerte anderer Diabetiker, die hier in der Vergangenheit die gleiche Pizza gegessen haben.

Und wenn man dann auf dem Heimweg, an diesem ersten Samstag im Monat, zufällig an der Ampel neben dem Swingerclub anhalten muss, liest das Auto plötzlich die neuste Dia-Empfehlung vor. Um eine Hypo zu vermeiden, solle man doch vor dem Clubbesuch mindestens 2 KE zu sich nehmen. Das habe man auf Basis der letzten 7 Besuche des anderen Diabetikers errechnen können, der gerade mit im Auto sitzt…
„Papa?!“
Die Ampel wird grün. Ein Auto hupt.

Aber vielleicht wird es ja auch ganz anders…

Eiersalat mit Zimt

31 Juli 2031. Wir sind in der Kleingartenanlage „Am glücklichen Gleis“ in Gelsenkirchen-Nord, wo Gisela Kombaloschewski (62) gerade ihren Nobelpreis für Medizin zurück in das dunkle Eiche-rustikal-Regal legt, auf das liebevoll selbst gehäkelte Deckchen. Der fröhlichen Fleischereifachverkäuferin ist der Stolz in ihr üppig geschminktes Gesicht geschrieben. „Ich hab et schon immer gewusst! ‚Heinz‘, hab ich gesagt, ‚Heinz, iss mehr Zimt, datt hat bei der Frau Dingens, da von gegenüber, auch geholfen.‘ Aber wissen se, der Heinz, der is da eigen.“ Und dann erzählt sie uns ihre Geschichte, wie ihr vor genau drei Jahren der Zimtstreuer in den guten Eiersalat gefallen sei. „Herrjemine, können se sich datt vorstellen?! Ausgerechnet in den Eiersalat, wo Heinz doch so eigen is.“ Wir halten kurz inne, ein bisschen aus Erfurcht um diesen Moment, vor allem aber weil gerade ein Güterzug vorüberrattert. Zusammen mit dem Klirren von Omas guten Kristallgläsern stimmt er eine für die Szenerie ebenso passende wie eindrucksvolle Melodie an.
In Heavy-Metal-Konzert-Lautstärke.
Erste Reihe.
Ganz außen.
Direkt vor den Boxen.
Gisela nutzt die kurze Pause und zieht ihren pinken Lippenstift nach. Kein leichtes Unterfangen, wo doch das ganze Gartenhäuschen bebt. Es ist dasselbe Pink wie auf Giselas künstlichen Fingernägeln und den Pumps, die mit ihren breiten Füßen etwas überfordert sind. Das Pink passt so perfekt zu Gisela wie ihre Leoparden-Leggings. Und Gisela passt so perfekt in diese Kleingartensiedlung wie die fünf Gartenzwerge, die rund um den moosbegrünten Vogelteich aus Marmorimitat aufgereiht sind. Als der Zug vorüber ist, erzählt Gisela den Rest ihrer Eiersalatgeschichte. Sie versuchte zu retten, was zu retten war und erhöhte gnadenlos den Fleischwurstanteil („mit“, betont Gisela, „Bestellen se immer ‚Fleischwurst mit‘! Ohne, wissen se, da fehlt nich nur der Knoblauch, da lassen sie manchmal auch datt Salz wech.“). Und dann kam das Wunder von Gelsenkirchen-Nord: Heinz verlor seinen Diabetes. Sie konnten es erst nicht glauben und so ging es auch dem Rest der Welt. Zwei Jahre haben die Forschungen gedauert, überall auf Welt, bis auch der letzte Zweifel ausgeräumt und die Sensation perfekt war. Die Mischung aus Giselas Eiersalat, jeder Menge Fleischwurst „mit“ und einer Überdosis Zimt heilt tatsächlich Diabetes. Der Rest ist Geschichte.
Mein Blick gleitet auf das Bild an der Wand, das Gisela bei der Verleihung in Stockholm zeigt. In der einen Hand den Nobelpreis, in der anderen ein Töpfchen Eiersalat und daneben das Komitee, das merklich mit der Fassung ringt. Das Pink von Giselas Nägeln passte damals schon gut zu ihr, denk ich. Und zu ihrer Leoparden-Leggings.


Das war Tag 2 der Diabetes-Blog-Woche 2018.
7 Tage.
7 Themen.
1000 Perspektiven.
#DBW2018